Herbst

Kurt Köhler
Vademecum für den jungen Selbstmörder.
Mit Malereien von Andrey Klassen.
Neu übersetzt von
Andreas Lampert
Hardcover mit Schutzumschlag
182 Seiten, durchgehend bebildert.
Fadengebunden
Mit individuellem Vor- und Nachsatz.
ISBN: 978-3-9822910-6-2
30 €
(c) Andrey Klassen
Verlag und Übersetzer danken der Universitat Pompeu Fabra für die Unterstützung bei der Übersetzung des Romans.

Kurt Koehler (Kurt Constant Soetewey): Vademecum für den jungen Selbstmörder

Das ist wie das Leben,
das ist das Leben,
von Ihnen,
von mir,
von allen …
Das Leben, das endlos …
endlos fließt …

Kurt Köhlers 1934 erschienener Roman “Vademecum für den jungen Selbstmörder” ist sicherlich einer der herausragendsten Texte der belgischen Moderne und wird hier zum ersten Mal in deutscher Übersetzung (Andreas Lampert, Den Haag) veröffentlicht.

Ein Text, der mit den Collage- und Lautmalereimethoden der brennenden, lodernden 20er Jahre aufgeladen die Geschichte der jungen Verkäuferin Magda (“Jungfrau und Ladendame”), Henk: (“Durchschnittsmensch und Boxmeister”), Nathan (“Kommunist und Jude”) und Kwikkkwak (“Dichter und ewiger Narr”) erzählt. Köhler, mit bürgerlichem Namen Kurt Constant (Stan) Soetewey (und nicht zu verwechseln mit dem kommunistischen Widerstandskämpfer gleichen Namens), ersinnt eine schillernde, todtraurige, aberwitzige Großstadtwelt, die den Leser in einen avantgardistisch-komisch-spielerischen Text stößt.

In der Tradition von P. Ostaien spielt der Roman mit graphischen Elementen und spiegelt so die politische und ästhetische Offenheit wie auch Orientierungslosigkeit der Menschen und der Kunst in den Zwischenkriegsjahren wieder. Köhler ironisiert, legt bloß, spiegelt und überdenkt seine Zeit kritisch.

Der Leser wird dazu gezwungen sein, wenn er dazu bereit ist, sich mit dem Fall Kurt Köhler auseinander zu setzen, der sich in eine ungute Mesaliance mit den Nationalsozialisten begab und der, weil er in die Abgründe der menschlichen, künstlerischen und politischen blicken wollte, die eigene Freiheit verlor.

Ein Roman, der durch die Bilder des Künstlers Andrey Klassen eine Dichte und Eindringlichkeit gewinnt, wie sie vielleicht nur Werken der hitzigen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entspringen konnte.

Lies, lies andächtig, aber sei vorsichtig, werde nicht sentimental. Brich dir nicht den Hals, und brich dir nicht das Herz.

Über Kurt Köhler aka Constant (Stan) Soetewey

Kurt Köhler, Pseudonym von Constant (Stan) Soetewey (Antwerpen, 18. Februar 1907 – dort, 23. September 1945) war ein flämischer Schriftsteller und Dichter. Sein kleines, experimentelles Werk ist weitgehend, aber nicht völlig in Vergessenheit geraten. Bei einer kleinen Gruppe von Literaturkennern genießt er Kultstatus.

Seine Geschichte ist so berührend und erschütternd wie seine Romane. Soetewey sympathisierte stark mit dem Sozialismus und dem Kommunismus und wandte sich gegen den Wirtschaftsimperialismus des Establishments. Während seines Militärdienstes wurde Soetewey angeblich für die Gründung einer kommunistischen Zelle bestraft. Sein Ideal, ein emanzipiertes Flandern im Rahmen eines sozialistischen europäischen Völkerbundes, ließ ihn mit Engagement und Einsatz für die kommunistische flämische Bewegung aktiv werden. Zugleich spiegelt sein Werk diese idealistische Haltung.

1929 versuchte er, das Studio Avontuur ins Leben zu rufen, einen Treffpunkt und Verlag für junge internationalistische Künstler. Nach vier Jahren musste er die Initiative wegen mangelnden Erfolgs einstellen. In dieser Zeit wurde auch die KPB nach russischem Vorbild umgestaltet, und er verlor den Glauben an den kommunistischen Erlösungsstaat.

Seine ideologische Erschütterung spiegelt sich in den beiden Romanen wider, die er in den folgenden Jahren unter dem Namen „Kurt Köhler“ veröffentlichte. Im Mai 1933 erschien „Baltazar Krulls Herz singt Mondschein“, eine Novelle von etwa 130 Seiten, worin der Protagonist in seiner allgemeinen Verzweiflung über eine konstruktive Alternative für die belgische Gesellschaft zum Spion wird. Köhlers experimenteller Roman verwendet Schnitttechniken, die von Expressionismus und Dadaismus zeugen.

In „Vademecum für den jungen Selbstmörder“ (1934) ging Köhler in seinem Modernismus und Nihilismus noch weiter: hier ist jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft zunichte gemacht. Kommunisten verkaufen ihr Programm als Kapitalisten und Dichter und Künstler haben ihre Integrität verloren.

Quelle: Wikipedia NL

Über Andrey Klassen

1984 born in Irkutsk, RU
2001–2004 Bachelor of Fine Arts, Art School Irkutsk, RU
2005–2010 Master of Fine Arts, class Prof. Ralf Kerbach, Academy of Fine Arts Dresden, DE
2010–2012 Master Studies with Prof. Ralf Kerbach, Academy of Fine Arts Dresden, DE
2018 Lecturer at the Academy of Fine Arts Dresden, DE

> Website von Andrey Klassen

Über Andreas Lampert

Andreas Lampert, Jahrgang 1977, Studium der Komparatistik und Philosophie, Arbeit als frieier Lektor für Klett-Cotta, Proekt über emotionale Leserreaktionen auf Gewaltdarstellungen in Literatur am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik. Übersetzungen von Julio Camba, Ambrose Bierce, Hermann Burger, Enrique Jardiel Poncela, Kurt Köhler, J. Slauerhoff und anderen.
Lebte als Dozent für Literatur, Geschichte, Politik und Deutsch in Deutschland, Spanien, Belgien, Holland und nun wieder in der Kapitale der teutonischen Autochtonen.

Der Gedichtband 100 nicht konziser ist im November 2021 bei RUP erschienen, demnächst wird, aus dem Gatunischen seinem Freund Laurelio abgelauscht und aufgeschrieben, das Büchlen Feiner und gröberer Humbug veröffentlicht werden. Weitere Texte und Katastrophen sind in Arbeit, dann geht das Leben weiter.

Seine Frau ist weitaus reizvoller und begabter als er.

Andrey Klassen
Andrey Klassen

„This is like life, this is the life, of you, of me, of all … The life that flows endlessly … endlessly …“

Kurt Köhler’s 1934 novel “Vademecum for the Young Suicide” is certainly one of the most outstanding texts of Belgian modernism and is published here for the first time in German translation. A text charged with the collage and onomatopoeia methods of the burning, blazing 1920s, it tells the story of the young salesgirl Magda (“virgin and shopgirl”), Henk: (“average man and boxing champion”), Nathan (“communist and Jew”), and Kwikkkwak (“poet and eternal fool”). Köhler, whose real name is Kurt Constant (Stan) Soetewey (and not to be confused with the communist resistance fighter of the same name), devises a dazzling, deadly sad, madcap metropolitan world that thrusts the reader into an avant-garde comic-playful text. In the tradition of P. Ostaien, the novel plays with graphic elements, reflecting the political and aesthetic openness as well as disorientation of people and art in the interwar years. Köhler ironizes, exposes, reflects and critically rethinks his time.

The reader will be forced to do so if he is willing to deal with the case of Kurt Köhler, who entered into an uneasy mesaliance with the National Socialists and who, because he wanted to look into the abysses of human, artistic and political, lost his own freedom.