unter dem Hashtag #buchpassion lädt Janine von kapri-zioes Blogger und Leser dazu ein, ihre Leidenschaft für Bücher zu teilen, um so auch Nichtlesern zu zeigen, was es bedeutet, sich in der Welt der Worte zu verlieren. Da sind wir gern dabei – und lüften ein bißchen das Geheimnis um den Namen unseres Verlags.
Wer ist Topalian?
Meinen ersten „Verlag“ gründete ich mit 12. Ich hatte, denke ich, eine sehr vage Vorstellung davon, was ein Verlag ist, hatte aber begriffen, daß ein Verlag Bücher macht. So etwas wollte ich auch machen. Ich schrieb also ein „Buch“ – Umfang circa 12 Seiten – und gab meinem Verlag einen Namen (die immer noch ellenlange Abkürzung eines erheblich zu langen Kunstnamens).
Mein Vater nahm das Buch, kopierte es viele Male, heftete es. Dann lagen da diese „Bücher“, ein richtiger kleiner Stapel, frisch duftend nach Papier und Druckerschwärze, und ich hatte den Eindruck, daß etwas sehr eigenartiges und schönes geschehen war. Es war, besonders wenn man den Herstellungspreis und das nicht vorhandene Budget betrachtet, ein recht großer Erfolg – meine Großmütter „kauften“ je ein Exemplar, ein weiteres ging an eine Lehrerin und an einen Buchhändler, der, sehr ernsthaft, den vollen Preis zu bezahlen wünschte – 1 DM. Der Rest wurde den Verwandten „verehrt“.
Wie viel ist ernst, wie viel ist Spiel?
Als die Druckfahnen des vierten Buches unseres Verlages eintrafen, stellte sich ein Echo dieser ersten staunenden Empfindung ein, die einen trifft, wenn eine Idee plötzlich Gestalt annimmt, wenn etwas haptisch greifbar ist. Da liegen nun, frisch von der Druckerei Pustet, aber noch ungebunden, noch ohne Farbschnitt und Umschlag, diese gedruckten Seiten. Worte von Stefan Zweig, Illustrationen.
Ich hatte vergessen, daß ich mit 12 ein Buch geschrieben und einen „Verlag“ gegründet hatte (in dem, es erstaunt mich 26 Jahre später sehr, weitere Bücher erschienen wie etwa die Comic-Abenteuer eines verrückten Professors oder Daumenkinos). Was viele Umzüge nicht zutage förderten, brachte der Ordnungssinn meines Vaters zurück in die Erinnerung, als er mir vor kurzem die Reste dieses Buches vor die Nase hielt.
Mein Gedanke war: Hatte dieser 12jährige wirklich schon eine Ahnung vom Büchermachen? Wie viel davon war ernst, wie viel Spiel?
#buchpassion ruft auf, sich ein paar Gedanken zu machen, welche Rolle Literatur und Bücher spielen, wie man selbst zu Büchern steht, was sie bedeuten. Noch einmal also ein kleiner Blick in die Vergangenheit, allerdings nur 12 Monate zurück: Da sitzen Rasmus Schöll und ich in der eng bemessenen Mittagspause im Büro eines Amtes und melden unseren Verlag an. Einen Namen haben wir nach vielen Runden, vielen Nachtschichten des Nachdenkens, Erwägens und Verwerfens endlich gefunden: Topalian & Milani. Da steht plötzlich dieser Name, er klingt ein wenig wie eine italienische Modemarke, er klingt fremd. Dabei geht es um Vertrautes und Verlorenes. Wir suchten nach einem Namen, der mit uns eng verbunden sein sollte. Kein Kunstname, der in ein paar Jahren vielleicht nicht mehr zu uns passt. Etwas, das auch die Veränderungen, die ein Verlag erlebt, überstehen könnte. Nach versponnenen, witzigen, abseitigen, plausiblen, vernünftigen und marktgängigen Namen also dieser „Doppelname“. Als wir die Formulare ausfüllen, wird es ernst.
Als wir die Bestätigung der Anmeldung des Verlags erhalten, ist es Realität.
Von der Krim nach Spanien
Mein Großvater lebte ein unruhiges Leben; als Sohn eines armenischen Botschafters in Berlin und dessen deutscher Frau wurde Michael Topalian im Zug auf der Fahrt von Bukarest nach Berlin geboren. Er wurde Maler, Ingenieur, lebte auf der Krim, bis er, auf der Flucht vor Stalins Jagd nach Intellektuellen und Andersdenkenden, ins Nazi-Deutschland flüchtete. Hier lernte er meine Großmutter kennen, gemeinsam waren sie in Zell am See gestrandet, als man Wien bombardierte.
Ich habe diesen Neffen des Malers Aiwasowski, der aus Furcht vor der deutschen Winterkälte zwischen September und April stets in Spanien lebte, als eigensinnigen, warmherzigen, skurrilen, begabten und empfindlichen Kauz in Erinnerung, dessen Familiename mit seinem Tod 1998 vom Verschwinden bedroht war.
Als Rasmus und ich also einen Verlagsnamen suchten, kamen wir schließlich auf die Generation der Großeltern. Menschen, die uns prägten. Deren Namen nicht verschwinden dürfen. Also gab ich dem Verlagsnamen den „Topalian“.
Rasmus fügte den Namen seiner italienischen Großmutter hinzu.
Es war, so scheint es mir 12 Monate später, der komplexeste Teil der Verlagsgründung, der weitreichendste.
Hätte uns ein anderer Verlagsname getragen? Ich weiß es nicht. Ich weiß, daß uns dieser zunächst fremd klingende, von vielen auch gern verdrehte Verlagsname ans Herz gewachsen ist. Ich denke an meinen Großvater, der Bücher in einem verschossenen, uralten Koffer transportierte, die fast so alt waren wie er selbst und die er mit großer Zärtlichkeit berührte (und die wir Enkel im übrigen nicht berühren durften: zu kostbar waren diese, teilweise kyrillisch gedruckten, Bücher).
Ich sehe ihn vor mir, wie er mit diesem alten Koffer im Spätsommer 1998 ein letztes Mal vom Ulmer Bahnhof in Richtung Spanien aufbrach, von wo aus uns wenige Monate später eine auf spanisch verfasste Nachricht von seinem Tod erreichen sollte. Vorbei war ein Leben, das ihn auch in die Entwicklungsabteilung von Boeing geführt hatte, ihn in späteren Jahren als Portraitmaler alter Schule durch halb Deutschland reisen sah und zuletzt – aus Furcht vor der deutschen Kälte – in ein kleines Haus im spanischen Zaragoza, das er selbst entworfen und gebaut hatte.
Das schmerzliche 20. Jahrhundert
Jetzt also halte ich dieses noch ungebundene Buch mit den Texten von Stefan Zweig in der Hand, eine Druckfahne des „Buchmendel“, dieser anrührenden Geschichte über einen skurrilen, genialischen Büchermenschen, der so sehr mit seiner Passion verwachsen ist, daß er nicht einmal mitbekommt, daß ein Krieg ausgebrochen ist. Eine Geschichte voller Humor und schmerzlicher (Vor-)Ahnungen der Verwerfungen des 20. Jahrhunderts. Und es kommt mir nun so vor, daß nichts Zufall gewesen ist – weder die Entscheidung, einen Verlag zu gründen um Zweigs fabelhafte Novellen in ein neues Gewand zu stecken, noch der Name des Verlages.
Kein Name wäre passender gewesen.
Wieso mein Großvater die Mondlandung verpasste, wie er einen Science Fiction-Raktenen-Ofen baute und welche (Buch-)Geschichte hinter „Milani“ steckt – das erzählen wir ein anderes Mal.
Florian L. Arnold grüßt #buchpassion