Herbstnovität 2024: ICHAE von Florian L. Arnold.
In einer nicht so fernen Zukunft sind die Ressourcen der Erde erschöpft, die Technologie bringt keine Lösungen mehr. Nur die menschliche Fantasie und die Natur bergen noch Kräfte, von denen der Ich-Erzähler berichtet.
Es ist eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten fusst, diese aber mit literarischen Mitteln zu einem feinen Stück des phantastischen Realismus macht: Die Geschichte des Sträflings Itys, der nach einer Messerstecherei auf den Staudamm verbannt wird und dort sein Leben riskieren muss. Tarabuto, der Älteste, ist der Kopf der Gemeinschaft, der die hitzigen Konflikte auflöst und die Holzkreuze schnitzt für jene, die ihr Leben verloren haben. Miro der Sprengmeister, dem „das Dynamit zu viel Freude macht“ und der Ziegelklopfer Riasú, der seine schöne Schwester vor den Männern beschützen muss.
In ihrer Mitte steht der Vogelfänger Ichae, der dem Ich-Erzähler auf geradezu magische Weise mehr als nur ein Mal das Leben retten wird. „Schreib nichts auf, sage alles nur ein Mal, sprich es aus, ein einziges Mal, wie ein Gedicht, das vergeht“. Erzählt wird dies aus einer Zukunft, in der „wir nichts hören, nicht ein Mal einen einzigen Vogel“. Doch noch sind die Wälder „voller Biester und Bestien“ und jeder Tag und jeder Nacht sind erfüllt von Glück und Traurigkeit.
„Alle, die hier arbeiteten und lebten, hatten nichts weniger als ein Leben voller Widrigkeiten und Enttäuschungen hinter sich, Leben, die ihre Seelen so tief gespalten hatten, daß ihnen die gefährliche Fronarbeit am Staudamm erschien wie eine selige Zeit, denn man gab ihnen einen Ort zum Schlafen, man gab ihnen Essen, Alkohol und einen Platz, an dem ihre Kräfte sich auswüten konnten, so daß sie am Ende eines jeden Tages so liebenswert waren wie erschöpfte Kinder. Wer hätte nicht eine Empfindung von Sanftheit in sich gefunden beim Anblick der auf groben Wolldecken, nachlässig ausgestopften und zu unförmigen Matratzen zusammengenähten Säcken liegenden Männer, in der kalten Nacht aneinandergedrängt, nicht nur durch die Enge der Baracke, sondern auch durch die Sehnsucht nach Wärme und Nähe. (…)“